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Klaus W. Hälbig: Replik auf die Rezension von Gotthard Fuchs

Zur Besprechung der drei letzten Bücher von Klaus W. Hälbig durch Gotthard Fuchs im Rundbrief 2/2020 (36-40) unter dem Titel „In Symbolen denken und leben“ hat der Autor die nachfolgende ausführliche Replik verfasst. Eine Kurzfassung in Thesenform wurde im Rundbrief 3/2020 veröffentlicht. (Red.)

1. Das Sakramentale als zentrale Kategorie

Das Sakramentale ist die zentrale Kategorie des Christlichen und der Kirche, ohne die es beides gar nicht gäbe. Der Bonner Dogmatiker Karl-Heinz Menke hat in seinem Buch „Sakramentalität. Wesen und Wunde des Katholizismus“ (Regensburg ³2018) als einen Hauptgrund für das ‚Verdunsten’ des sakramentalen Denkens den spätmittelalterlichen Nominalismus ausgemacht:

„Wenn aber die empirisch wahrnehmbare Schöpfung nur eine unter anderen Möglichkeiten, also auch vom Schöpfer her gesehen nicht etwas Notwendiges, sondern Kontingentes ist, dann tragen die Dinge ihren Sinn nicht in sich selbst; dann sind die Namen bzw. Begriffe (nomina → Nominalismus), mit denen der Mensch sie benennt, nicht Ausdruck eines vom Schöpfer in die Geschöpfe gelegten Sinns, sondern Konventionen bzw. Konstrukte. Die Welt erscheint dann nicht mehr als von Gott geordnet, sondern als ein Chaos von Einzelnen, in das der Mensch selbst durch Sprachzeichen, Kategorien, Methoden und Techniken Ordnung bringen muss. Wenn aber die Schöpfung nicht mehr Offenbarung oder gar Sakrament des Schöpfers ist; wenn Gott nur noch ‚der ganz Andere’ ist, dann fällt es schwer, das Menschsein Christi als Offenbarung Gottes zu verstehen; dann liegt der Gedanke nahe, dass Gott sich unter dem Menschsein des Erlösers so ähnlich verborgen hat wie unter den eucharistischen Gestalten von Brot und Wein; dann kann man über Gott nur noch sagen, was er [in der Bibel] ausdrücklich so und nicht anders gesagt hat. Die Offenbarung erscheint dann wie eine Instruktion Gottes, die gerade dann wahr ist, wenn sie ihren Adressaten nicht einleuchten, weil ja Gott ganz anders ist als der Mensch denkt. Luthers Biblizismus ist die Folge einer nominalistischen Denkweise. Wo es grundsätzlich verboten erscheint, von der Schöpfung auf den Schöpfer zu schließen; und wo der menschlichen Vernunft die Fähigkeit abgesprochen wird, sich auf Gott hin überschreiten zu können, da bleibt nur das Faktum, dass Gott gesprochen hat. Die altprotestantische Identifikation des Wortes Gottes mit der Heiligen Schrift (Biblizismus) hat sich längst als naive Illusion entpuppt. Aber ein mehr oder weniger ausgeprägter Biblizismus ist bis heute eine der Alternativen zum sakramentalen Denken“ (142f).

Im postmodernen Denken sind Körper und Welt bloße Konstrukte des Menschen, die kein Wesen, keine Sinnbestimmung von einem Schöpfer haben außer derjenigen, die sich der Mensch selbst (als sein eigener Schöpfer) gibt. Friedrich Nietzsche brachte dies auf die Formel des „Willens zur Macht“, wobei auch das ‚Ich’ im Unterschied zum ‚Nicht-Ich’ letztlich bloße Fiktion ist. Alles ist nur eine Funktion, ein ‚etwas für’, nichts ist ‚an und für sich’. „Sakramentales Denken setzt die anthropologische Unterscheidung zwischen Ich und Nicht-Ich ebenso voraus wie die ontologische zwischen einer bezeichnenden und einer bezeichneten Ebene. Sakramentales und postmodernes Denken verhalten sich zueinander wie zwei einander ausschließende Gegensätze. (…) Entweder ist das ‚Nicht-Ich’ bloße Funktion für das (strategische bzw. fiktive) ‚Ich’ der Natur (des Willens zur Macht). Oder es ist Anrede des Schöpfers an sein geschöpfliches Ebenbild, den Menschen – mit der Konsequenz, dass jedes ‚Etwas’ über seine empirische Außenseite hinaus auch eine sakramentale Bedeutung hat. (…) Wenn die von mir wahrgenommene Wirklichkeit nicht noch einen Sinn (= ‚Wahrheit an sich’) hat, der ihr ganz unabhängig von meinem Sehen und Verstehen eingestiftet ist, kurzum: wenn es keine sakramentale Bedeutung der empirisch wahrnehmbaren Wirklichkeit gibt, dann ist Gott eine Fiktion des Menschen und der Mensch bestenfalls das bislang höchstentwickelte Säugetier“ (Sakramentalität, 326).

Für Menke ist Jesus als das inkarnierte Wort in seinem Menschsein selbst das „Ursakrament“. In seinem Kreuzesopfer und seiner Himmelfahrt (= Eingang in den himmlischen Tempel, s. Hebr) ist er der eine Hohepriester, der zugleich sich selbst zur Verherrlichung des himmlischen Vaters als Ganzbrandopfer und makelloses „Osterlamm“ ( 1 Kor 5,7) darbringt, dazu ausersehen schon „vor der Erschaffung der Welt“ (1 Petr 1,20; Offb 13,8). Daran gibt er den Gläubigen, die durch die Taufe auf Kreuz und Auferstehung in seinen einen „(Opfer-)Leib“ eingegliedert sind, Anteil im gemeinsamen Priestertum, „um euch selbst als lebendiges und heiliges Opfer darzubringen“ (Röm 12,1). Und er gibt den von ihm zum besonderen Dienst seiner Repräsentanz als „Haupt“ Berufenen daran Anteil in der Priesterweihe durch Handauflegung (auf das Haupt) und durch Gebet. Das Schöpferwort kommt in der Kraft des Schöpfergeistes in seine Schöpfung, um sie von Sünde und Tod zu befreien und zu vollenden, um „alles neu“ zu machen (Offb 21,5; 2 Kor 5,17).

Die Kernfrage ist: Wozu erschafft Gott die Schöpfung überhaupt? Die Antwort der Religion lautet seit jeher: zur Selbstverherrlichung im priesterlichen Gottes-Dienst der Geschöpfe. Bei den Azteken und Inka wird der Sonnengott ernährt und gestärkt durch zahllose Menschenopfer, wobei er sich zuvor auch selbst als Opfer seinen Kindern dargebracht hat. In Jesus, dessen Speise es ist, „den Willen Gottes zu tun … und sein Werk zu Ende zu führen“ (Joh 4,34), nämlich erhöht am Kreuz („Es ist vollbracht/vollendet“), gibt sich Gott in Jesus dem Menschen selbst zur Speise: Er opfert sich ihm aus Liebe als Einladung zum Mit-opfern und Mit-lieben. Wenn somit das in der Eucharistie gefeierte „Werk unserer Erlösung“ (Sacrosanctum Concilium 2) in der Neuschöpfung besteht, dann hat der christliche Osterglaube allergrößtes Interesse daran, sich von der Schöpfung her zu begründen (deshalb Genesis 1 als erster Lesungstext in der Osternachtfeier).

Fragt man die Bibelexegese nach dem, was sie von Gen 1–3 her zum Sinn der Schöpfung und zum göttlichen „Heilsplan“ zu sagen hat, warum „unter allen Aussagen der Heiligen Schrift über die Schöpfung … die ersten drei Kapitel des Buches Genesis einen einzigartigen Platz“ einnehmen (Katechismus der Katholischen Kirche Nr. 289), so wird man enttäuscht. „Die Anfangserzählung lädt ein, die Welt mit den Augen Gottes als ‚guten, sehr guten Anfang’ zu lesen“ (Georg Steins, in: Bibel falsch verstanden. Hartnäckige Fehldeutungen biblischer Texte, Stuttgart ²2020, 27). Die Sinnfrage wird gar nicht gestellt! Sündenfall? War eine Fehldeutung und wird abgeschafft. Jetzt handelt Gen 2 – 3 von einem Reifungsprozess oder Adoleszenz-Mythos wie schon bei Philosophen der Aufklärung (vgl. ebd., 46 und 55). Erbsünde oder allgemeine Erlösungsbedürftigkeit gibt es nicht mehr. Wozu dann noch Taufe und Kirche?

Eine Ahnung von dem, wozu Gott die Welt erschafft, vermittelt dagegen der Alttestamentler Ludger Schwienhorst-Schönberger: „Die Analogie von Schöpfung und Heiligtum [Kirche] konkretisiert sich im Kult. Der Kult versteht sich als Erneuerung der Schöpfung, indem er ihre ursprüngliche Ordnung möglichst rein wiederholt und so den chaotischen Mächten Einhalt gebietet“ (Die Ordnung der Zeit im Alten Testament,in: Jahrbuch für Biblische Theologie 28 [2013], 3-20, 5). Diese ursprüngliche Ordnung gründet in Gottes Weisheit. Mit ihr werden Welt und Mensch erschaffen (Spr 3,19; Weish 9,2). Wer nach der Weisheit „greift, dem ist sie ein Lebensbaum“ (Spr 3,19). Von daher versteht die jüdische Theologie die Thora nicht nur als Inbegriff von Gottes Weisheit und Heilsplan (‚Bauplan’), sondern auch als „Baum des (ewigen) Lebens (Gen 2,9; 3,22). Christlich wird dieser Lebensbaum als Vorausbild des Kreuzes gedeutet und seine lebensspendende Frucht als Vorausbild der Eucharistie.

2. Symbolik von Baum und Kleid, Feuer und Hochzeit

Der Judaist und Psychologe Gabriel Strenger (Jerusalem) schreibt zum ersten Wort der Bibel Bereschith: „Chochma [Weisheit] enthält die Quint-essenz des Seins und der Wahrheit, die Ordnung des Kosmos hat in ihr ihren Ursprung. (…) Bereschit bara Elohim – ‚Im Anfang erschuf Gott …’ (1. Buch Mose, 1,1) – bedeutet, laut der Deutung des Sohars: Mit Reschit, der Hauptsache – also der Weisheit – erschuf Gott Himmel und Erde. So sagt der Sohar auch: ‚Gott blickte in die Tora und erschuf die Welt’ – und damit ist natürlich die Tora Keduma, die ursprüngliche, geistige Tora gemeint. Chochma aber ist Abba, der Vater. Die Weisheit ist der Samen des Vaters, aus dem sich das gesamte Universum entwickelt hat“ (Jüdische Spiritualität in der Tora und den jüdischen Feiertagen, Basel 2016, 467).

Für Albert Einstein war das Universum noch statisch und bestand seit jeher, unsere Galaxie war die einzige. Der katholische Priester und Astrophysiker Georges Edouard Lemaître (1894–1966) rechnete die Relativitätstheorie nach und erkannte, dass etwas nicht stimmt, dass das Universum vielmehr expandiert. Nach der Bestätigung durch Edwin Hubbles Entdeckung der Rotverschiebung entwickelte der belgische Physiker Ende der 20er Jahre die Idee des Urknalls als quantenphysikalischen Beginn der kosmischen Expansion. Wozu aber das ungeheuerliche ‚Uni-versum’ überhaupt existiert, wovon ja nur 5 Prozent erkennbar ist (95 Prozent sind ‚dunkle’ Energie und Materie), kann die Physik nicht sagen.

Die Theologie unterscheidet zwischen der unsichtbaren und der sichtbaren Welt, zwischen ‚Himmel’ und ‚Erde’. Alles in der Schöpfung beruht auf zwei Prinzipien und ist daher zweigeteilt, der Mensch als gottähnliches „Bild Gottes“ in unsichtbare Seele und sichtbaren Leib, in ‚männlich’ und ‚weiblich’ (Gen 1,26-28). Ziel aber ist die Einswerdung, nicht nur die der innerweltlichen Polaritäten in ‚hochzeitlicher’ Liebe, sondern auch die von Schöpfer und Schöpfung im ‚hochzeitlichen’ Bund des Feuers des Geistes (Bereschith ~ Berith-Esch). Jesus ist als „Ebenbild des unsichtbaren Gottes“ und „Erstgeborener der ganzen Schöpfung“ auch derjenige, der „am Kreuz durch sein Blut“ alles „im Himmel und auf Erden, das Sichtbare und das Unsichtbare“, das in ihm erschaffen wurde, auch in sich versöhnt und vereint: „Denn Gott wollte mit seiner ganzen Fülle in ihm wohnen, um durch ihn alles zu versöhnen“ (Kol 1,15-20). Diese Ein-wohnung Gottes (Immanenz) ist Sinn und Ziel des transzendenten Gottes bei der Welterschaffung. Deshalb ist die Schöpfung als „Haus“ (Beth = Zwei) eigentlich „Haus Gottes“ (Gen 28,16f): Tempel für die Einwohnung des heiligen Gottesnamens und dann des Gotteswortes selbst im ‚Fleisch’ der Thora und dann in Jesus, der Thora Keduma in Person.

In Ihm gewinnt die erlöste Schöpfung ihren ursprünglich sakramentalen Charakter zurück: Das Sichtbare vermittelt die unsichtbare Gnade und Liebe. Im kabbalistischen Sefirot-Baum der zehn göttlichen Eigenschaften oder Urpotenzen heißt die mit dem 1. Schöpfungstag identifizierte 4. Sefira Chessed: Gnade, Güte, Liebe ganz umsonst. Bei der Erschaffung des einen Urlichts (der Weisheit) am „Tag eins“ erscheint erstmals auch das Wort „gut“. Chessed auf der rechten Seite wird mit dem ersten Erzvater Abraham identifiziert, während der zweite Erzvater Isaak für die entgegengesetzte 5. Sefira Din (Recht, Gerechtigkeit) auf der linken Seite steht. Beide Eigenschaften Gottes finden ihren vermittelnden Ausgleich in der 6. Sefira Tipheret: Schönheit, Herrlichkeit, Pracht, Harmonie, Erbarmen, wofür dann der dritte Erzvater Jakob/Israel steht, der Zwillingsbruder (zweigeteilt!) des Esau: Dieser „war rötlich, über und über mit Haaren bedeckt wie mit einem Fell“ (Gen 25,25). Die Rabbinen übertrugen „die negativen Bilder von Esau und Edom auf das Christentum… Die Typologie von ‚Edom’ und ‚Esau’, ‚Kirche’ und ‚Rom’ ist noch im Mittelalter weithin gebräuchlich“ (Walter Homolka, Der Jude Jesus – Eine Heimholung, Freiburg u. a. 2020, 60).

Nach dem Sündenfall erhalten Adam und Eva von Gott ein „Tierfell“ als Kleidung (Gen 3,21); im Paradies sind sie „nackt“, das heißt ohne Haare (= Vielheit), bekleidet mit der Lichtherrlichkeit (Doxa) des Schöpfers. In der Taufe ziehen die Gläubigen im weißen Kleid den „neuen Menschen“ an, „der nach dem Bild Gottes geschaffen ist in wahrer Gerechtigkeit und Heiligkeit“ (Eph 4,24). Die Blutzeugen Christi „haben ihre Gewänder gewaschen und im Blut des Lammes weiß gemacht“ (Offb 7,14). Am Kreuz erschließt Christus durch sein „Blut des Bundes“ (Mt 26,28) den Weg zurück ins Paradies der Gottesnähe (vgl. Lk 23,43) oder zum himmlischen Tempel (das Zerreißen des Tempelvorhangs bei den Synoptikern), das durch den Bruch des Bundes im Essen vom Erkenntnisbaum verloren ging: Die Cherubim mit dem „Flammenschwert“ vertreiben die durch den Fall feindlich gewordene Zweiheit aus dem Gottesgarten der Einheit (Gen 3,15.24).

Im fleischgewordenen Gotteswort sind Bund und Einheit unverbrüchlich wieder da: „Denn ihr alle, die ihr auf Christus getauft seid, habt Christus (als Gewand) angelegt. Es gibt nicht mehr Juden und Griechen, Sklaven und Freie, nicht männlich und weiblich; denn ihr alle seid ‚einer’ in Christus Jesus“ (Gal 3,27f). Christus ist der ‚neue Adam’, zu dem als sein Leib die Kirche als ‚neue Eva’ gehört (2 Kor 11,2), vorausgebildet in Israel als Gottesvolk des Bundes und vor allem in der Gottesmutter Maria, die mit ihrem in ihrem jungfräulichen Schoß fleischgewordenen Sohn im Glauben sakramental oder ‚hochzeitlich’ „in enger und unauflöslicher Verbindung geeint“ ist (Lumen gentium 53)..

Papst Franziskus predigte am Hochfest der Gottesmutter Maria am Neujahrstag 2020: „Am Neujahrstag feiern wir diese Hochzeit zwischen Gott und Mensch, die im Schoß einer Frau ihren Anfang genommen hat. In Gott wird für immer unsere Menschheit sein, und Maria wird für immer die Mutter Gottes sein. Sie ist Frau und Mutter, das ist das Wesentliche. Von ihr, der Frau, ist das Heil ausgegangen, und folglich gibt es ohne die Frau kein Heil. Dort hat sich Gott mit uns verbunden und, wenn wir uns mit ihm verbinden wollen, geht es über denselben Weg: über Maria, Frau und Mutter. Deshalb beginnen wir das Jahr im Zeichen der Gottesmutter, der Frau, die die Menschheit Gottes geformt hat.“ Ähnlich sagt der Mariologe Serafino Maria Lanzetta: „Bei der Verkündigung küsste der Bräutigam Christus die Braut Kirche, als das Wort im Schoß Mariens Fleisch wurde. Im Schoß Mariens wurden Christus, der Bräutigam, und die Kirche, seine Braut, ein Fleisch und eine Person…“ (Maria und das Alte Testament im bibeltheologischen Werk Aristide Serras, in: Manfred Hauke [Hg.], Maria und das Alte Testament, Regensburg 2015, 247-274, 255).

In der Aufklärungszeit verschwinden Motiv und Symbol der Hochzeit. Evangelische Theologen kritisierten das Weinwunder auf der Hochzeit zu Kana (Joh 2,1-11) als „Luxuswunder“, das Jesus gar nicht hätte wirken sollen. Dabei wird überall auf der Welt kein Fest größer und festlicher als die Hochzeit gefeiert. Die Kana-Hochzeit ist Anspiel und Vorspiel der „Stunde“ Jesu am Kreuz: dem Ausdruck der endgültigen ‚Hochzeit’ Jesu im Bund seines ‚Blutes’ mit der Menschheit (in Gestalt der Kirche), vertreten durch Maria als „Frau“ unter dem Kreuz (Joh 19,26), die der Lieblingsjünger als Mutter zu sich nimmt. „Frau“ nennt sie Jesus auch  in Joh 2,4. Kardinal Kurt Koch schreibt: „Denn am Kreuz ist die ‚Stunde’, von der Jesus bei der Hochzeit zu Kana gesagt hat, dass sie noch nicht gekommen ist [Joh 2,4], da, nämlich als Stunde der endgültigen Hochzeit zwischen Gott und Mensch. Diese Hochzeitssymbolik zeigt vollends, dass mit Maria, dem vornehmsten Geschöpf, das Bild und der Beginn jener neuen Menschheit vor uns steht, die in erlöster Freiheit lebt. (…) Die Kirche und der einzeln Christ leben umso mehr in erlöster Freiheit, je marianischer sie sind und dabei erkennen, dass ihre Berufung darin besteht, in das bräutliche Verhältnis zwischen Christus und Maria hinein genommen zu werden“ (Gottes Freude und Freude an Gott, Freiburg 2020, 42f).

Maria kommt im 4. Evangelium nur in diesen beiden Szenen vor und verbindet sie somit als neue Eva, die zum neuen Adam untrennbar dazugehört. Das Sakramentale ist nicht beiläufig auch ‚hochzeitlich’, die Eucharistie ist nicht auch „Hochzeitsmahl des Lammes“ (Offb 19,9), sondern als Verbindung des Sichtbaren mit dem Unsichtbaren hat es im Ursymbol der Hochzeit seinen Wesensausdruck. Rabbi Akiba (ca. 50–135) sagt daher: „Heiraten ist etwas im Leben Entscheidendes, denn es bedeutet ein Verbinden des  Erscheinenden, des Äußeren [= ‚Weiblichen‘], mit dem Verborgenen, dem Inneren [‚Männlichen’]. Der Sinn des Lebens ist, dass der Mensch diese beiden Seiten verbindet, dass er also heiratet.“

Das ‚Männliche’ (hebr. sachur) wird biblisch als das ‚Innere’ und Er-innernde (hebr. sachar) verstanden, das ‚Weibliche’ als das ‚Äußere’ und ‚Umhüllende’. Bei der Beschneidung des männlichen Gliedes wird ein Stück der umhüllenden Vorhaut weggenommen, was Zeichen des Bundes ist, weil der Mensch nur als Beschnittener in der Kraft des er-innernden Heiligen Geistes (Joh 14,26) wieder Zugang zum Heiligtum (zum ‚Inneren’) haben kann: „Tut dies zu meinem Gedächtnis.“ Christlich geschieht die ‚Beschneidung der Menschheit’ (Annick de Souzenelle) durch das Kreuz als ‚innere’ Beschneidung des gläubigen Herzens (Röm 3,28; Kol 2,11), in das im Heiligen Geist die „Liebe Gottes ausgegossen“ ist (Röm 5,5). An die Stelle der äußeren Beschneidung des Fleisches tritt die Taufe, die aber in ihr doch ihr Vorausbild hat.

Der zehngliedrige Sefirot-Baum heißt auch Adam Kadmon, der ursprüngliche Mensch (des ‚Ostens’; vgl. Gen 2,8). Er ist symbolisiert im ‚gerechten’, keuschen Josef von Ägypten, der der Versuchung durch die Frau des Potifar widersteht, mit ihm zu schlafen, weil er „schön von Gestalt und Aussehen“ war (Gen 39,6-12). Josef erscheint so als „das Ideal des Gerechten, des Heiligen des Alten Testaments“; „er ist das Bild des Menschen, an dem Gott Gefallen hat“, das Vorausbild des Erlösers (vgl. Kardinal Carlo Maria Martini, Der Pilger weiß, wohin er geht. Unterwegs mit Josef aus Ägypten und Ignatius von Loyola, Freiburg u. a. 1993, 38-40; 94).

Im Sefirot-Baum wird die 9. Sefira Jesod (Geheimnis) auf der Mittelachse (in Einheit mit der darüberliegenden 6. Sefira Tipheret), die den Phallus des himmlischen Menschen verkörpert, mit Josef identifiziert. Das höchste Symbol ist dann die (innergöttliche) Heilige Hochzeit von Tipheret (Schönheit) mit der untersten 10. Sefira Malchuth: Königreich, Gottesreich, Braut Gottes, Schechina (Einwohnung Gottes). Tipheret und Malchuth sind dann auch der Bräutigam und die Braut im Hohelied der Liebe. In diesem „Lied der Lieder“ kommt der Gottesname nicht vor. Schwienhorst-Schönberger hat in seinem Kommentar (s. u.) aber gezeigt, dass er sehr wohl gemeint ist, wenn sich die Braut 26mal an ihren Bräutigam wendet. Denn die Zahl 26 ist die des Tetragramms JHWH = 10-5-6-5 = 26. Christlich wird das Hohelied zu dem alttestamentlichen Grundtext der Mystik und zur Gegengeschichte der negativ verlaufenden Paradies-Erzählung.

3. Bibelhermeneutik und Aufklärung

Auch die Bibel selbst ist sakramental zu verstehen als die ‚hochzeitliche’ Einheit des geistigen (himmlischen) und sinnlichen (irdischen, buchstäblichen) Schriftsinns. Im Hohelied lädt die Braut ihren Bräutigam ein, „in seinen Garten zu kommen und von seinen Früchten zu essen“ (Hld 4,16). Nach Ludger Schwienhorst-Schönberger sind Essen und Trinken „hier ein Bild für den Liebesgenuss (vgl. Spr 30,20). Ebenso meint das Wort ‚kommen‘ hier wie auch an anderen Stellen der Bibel den Vollzug des Geschlechtsaktes (vgl. Gen 16,4; 30,4)“ (Das Hohelied der Liebe, Freiburg 2015, 124). Das ist im „Lied der Lieder“, das insgesamt „das Bild einer Rückkehr in das Paradies“ entwirft, geistig-sakramental und so von der Eucharistie her zu verstehen. Zu Hld 1,2 („Mit Küssen seines Mundes bedecke er mich“) schreibt Kardinal Jean Daniélou: „Der Empfang der Eucharistie, bei dem der Leib Christi auf die Lippen des von Sünden gereinigten Getauften gelegt wird, ist wahrhaft der Kuss Christi, in dem sich sein Liebesbund mit der Seele ausdrückt. Hier wird die hochzeitliche Verbindung zum unmittelbaren Vorbild der Eucharistie“(Liturgie und Bibel. Die Symbolik der Sakramente bei den Kirchenvätern, München 1963, 193-208 [Das Hohelied], 206). Dasselbe gilt für Israel: „Gott küsst die Braut Israel, indem er ihr die Thora schenkt“ (Lanzetta, Maria und das Alte Testament, 255).

In der Reformation und dann vor allem in der Zeit der Aufklärung wird diese sakramentale Bildsprache der Bibel nicht mehr verstanden. Christus ist jetzt nicht mehr als fleischgewordenes Schöpferwort das „Ursakrament“ und „Urbild des Mannes“ (Lumen gentium 7) in ‚hochzeitlicher’ Einheit mit seiner marianischen Kirche als ‚Urbild der Frau’ (neue Eva), sondern ein herausragender moralischer Lehrer. An die Stelle des symbolisch-bildhaften Denkens tritt die ‚Begriffsarbeit’ des Verstandes. Immanuel Kant trennt in seinen Kritiken die beiden Erkenntnisstämme Verstand und Sinnlichkeit. Sein Zeitgenosse und Meta-Kritiker Johann Georg Hamann (1730–1788)  hält ihm vor, damit gegen das göttliche Verbot der [Ehe-]Scheidung verstoßen zu haben: „Die Kommunion von Anschauung und Begriff ist das Sakrament der Sprache“ (zit. nach Günter Wohlfart, Denken der Sprache. Sprache und Kunst bei Vico, Hamann, Humboldt und Hegel, Freiburg/ München 1984, 157; vgl. 38; 145).

Für Hamann ist die Poesie „die Muttersprache des menschlichen Geschlechts“, „Nachahmung der schönen Natur“, „eine natürliche Art der Prophezeyung“: „Sinne und Leidenschaften verstehen nichts als Bilder. In Bildern besteht der ganze Schatz menschlicher Erkenntniß und Glückseeligkeit.“ In der rationalistischen Philosophie der Aufklärung hingegen haben Schöpfung und Natur als ‚Rede Gottes‘ an den Menschen ihren Bild- und Offenbarungscharakter, ihre Sakramentalität eingebüßt (Sokratische Denkwürdigkeiten – Aesthetica in nuce. Eine Rhapsodie in Kabbalistischer Prose, Stuttgart 1968, 170f; vgl. 81; 83; 111; 129).

Die Bibelkritik der Aufklärung beantwortet Hamann mit der typologischen Exegese, die in der Aufklärung durch die historisch-kritische Exegese ersetzt wird (in der katholischen Kirche seit dem letzten Konzil). Beim Philosophiehistoriker Kurt Flasch, und nicht nur bei ihm, führte diese Art der Bibeldeutung zum Abfall vom Glauben (Warum ich kein Christ bin? München ³2013). Schon Romano Guardini hat erkannt, dass die neuere Exegese „ihren eigentlichen Gegenstand verloren und damit aufgehört (hat), überhaupt Theologie zu sein“ (zit. nach Hanna-Barbara Gerl-Falkovitz, Geheimnis des Lebendigen, Heiligenkreuz 2019, 278). Von seinem Gestalt-Sehen her wandte sich Guardini wie schon Goethe entschieden gegen den Rationalismus der Neuzeit mit ihrem „Verschwinden der ‚Bilder‘, d. h. der symbolischen Dimension aus der Lebenswirklichkeit der Menschen durch die Alleinherrschaft abstrakter Begriffe, formaler Organisationen und technischer Errungenschaften: ‚Wir existieren nicht mehr in Bildern. An Stelle der geschauten Bilder sind Begriffe getreten; an Stelle der verkörperten Bilder Apparate; an Stelle der lebendigen Rhythmen mechanische Zeit-Teile usw.“ (Die Sinne und die religiöse Erkenntnis, zit. nach Johannes Holdt, Hugo Rahner. Sein geschichts- und symboltheologisches Denken, Paderborn u. a. 1997, 172).

Auf Guardinis Kritik der Neuzeit beziehen sich explizit Joseph Ratzinger und Papst Franziskus. Ohne die Bilder bleibt das Wort an der Oberfläche und erreicht nicht die Tiefenschichten der menschlichen Seele (den „guten Humus“, vgl. Mk 4). Denn die Seele oder innere Natur ist geprägt von den archetypischen Urbildern, die in der äußere Natur ihre Analogie haben: ‚Sonne’ (Sol) und ‚Mond’ (Luna) sind von daher die kosmischen Urbilder des ‚Männlichen’ und des ‚Weiblichen’ (in Mexiko werden durch diese Bilder die Toiletten unterschieden).

Vom Zusammenhang zwischen dem Unbewussten und dem Weiblichen her kritisiert auch Eugen Drewermann den „protestantischen Personbegriff“ (im Deutschen Idealismus) als Verkürzung auf „die Selbstreflektiertheit, das Bewusstsein, psychologisch gesprochen: das männliche Prinzip“: Das Unbewusste wurde „schlichtweg geleugnet. Von daher zählt es zu den großen, aber unvermeidlichen Tragödien der abendländischen Geistesgeschichte, dass die Wiederentdeckung des Gefühls, der Natur, des Unbewussten, des Weiblichen bei Feuerbach, Schopenhauer, Nietzsche und Freud unter diesen Voraussetzungen zu einem antichristlichen Argument, zu einem Beweis des Atheismus geraten musste“ (Die Frage nach Maria im religionswissenschaftlichen Horizont, in: Zeitschrift für Missionswissenschaft und Religionswissenschaft 66 [1982], 96-117, 113).

Weit mehr als die genannten Autoren haben Denker und Dichter der deutschen Romantik die Dimension des Unbewussten, von Traum, Nacht, Mythos und Einbildungskraft entdeckt. Gegen den ‚Mythos‘ wurde seitens der christlichen (protestantischen) Theologie aber nicht nur der ‚Logos‘ oder das ‚Wort‘ in Stellung gebracht, sondern auch die biblische ‚Heilsgeschichte‘. Dieser Begriff stammt erst aus der systematischen Theologie des 19. Jahrhunderts, worauf Markus Hofmann hinweist: „Das Alte Testament kennt keinen eigenen Terminus für Geschichte. Das Erzählen und Bedenken der Ereignisse, die geschehen sind, geschieht, um in ihrem Licht die Gegenwart zu verstehen. Das ist möglich, weil ein und derselbe Gott das Gewesene und das Jetzige wirkt“ (Maria, die neue Eva. Geschichtlicher Ursprung einer Typologie mit theologischem Potential, Regensburg 2011, 169f). Deshalb ist auch die Schöpfung ‚Heilsgeschichte‘, und „die eschatologische Endzeit entspricht dem Anfang“: „Die eschatologische Fülle des neuen Paradieses vertieft das Verständnis des Handelns Gottes am Anfang der Schöpfung“ (173; 176). „Motive aus Gen 2–3 dienen dazu, die Erwartung einer Entsprechung zwischen Urzeit und Endzeit auszudrücken und der Heilshoffnung einen eschatologischen Charakter zu verleihen“ (177).

Paulus sieht im Ein-Fleisch-sein von Mann und Frau im Paradies die ‚hochzeitliche’ Einheit von Christus und der Kirche vorausgebildet: „Dies ist ein tiefes Geheimnis“ (Eph 5,31f). Für Hamann besteht die Vollendung der Welt in der „Vermählung des menschlichen Geschlechts oder vielmehr der Kirche Gottes und Jesu“: „In diesem Zusammenhang ist es für Hamann unerlässlich, auf die (gewiss jungfräuliche) Geschlechtlichkeit des Erlösers hinzuweisen, weil dies sowohl vom Paradies, wie vom Hohenlied wie von der eschatologischen Hochzeit und Vollendung der Schöpfungswirklichkeit her erfordert ist. Für Hamanns Ästhetik ist diese Bergung des Eros in der Agape entscheidend wichtig.“ Hamanns „Endformel“ ist die „Coincidentia oppositorum“: „Menschliche Sinnlichkeit verbirgt das Geheimnis der Menschwerdung Gottes. Geschöpfliche Geschlechtlichkeit ist verhülltes Geheimnis des himmlischen Eros von Christus und Kirche“ (Hans Urs von Balthasar, Herrlichkeit II/2, 601-643 [Hamann], 627f; 637; 642; vgl. auch Benedikt XVI., Gott ist Liebe – Deus caritas est. Die Enzyklika, Augsburg ²2006, 27-38: „Eros“ und „Agape“ – Unterschied und Einheit).

4. Symbolik von Eucharistie und Taufe, Sabbat und Sonntag

In einem orthodoxen Troparion der Vorfeier von Weihnachten heißt es: „Bereite Dich Bethlehem, offen steht allen Eden./ Rüste Dich Ephrata;/ denn der Jungfrau entsprosst in der Höhle des Lebens Baum./ Ihr Schoß ward offenbar als geistiges Paradies./ In ihm wurzelt der göttliche Spross./ Wenn wir von ihm essen, werden wir leben,/ wir werden aber nicht sterben wie Adam./ Christus wird geboren,/ um das einst gefallene Bild Gottes wieder aufzurichten.“ Dies geschieht in der übernatürlichen Taufgeburt (Eph 4,24), die ihr Urbild in Marias Jungfrauengeburt hat. Zugleich ist Maria auch die „eucharistische Frau“, so Johannes Paul II. in seiner Enzyklika „Ecclesia de Eucharistia“ (2003, vgl. 53–58) – eine Wendung, die Eberhard Jüngel als einen „exegetischen Missgriff“ kritisierte (Glanz der Wahrheit – FAZ vom 16. Okt. 2003). Aber schon Bischof Hilarius von Poitiers sagt: „Das aus Maria geborene Fleisch, das vom Heiligen Geist kommt, ist das Brot, das vom Himmel herabgekommen ist.“ Und im Lexikon byzantinisch-christlicher Symbole von Günter Spitzing heißt es im Artikel Maria, die Allheilige: „Christus hat seinen menschlichen Leib aus ihr geformt. Weil dieser Leib gleichzeitig der als Brot und Wein genossene eucharistische Leib ist und Maria ihn in sich getragen hat (Platytera), gilt sie als Miturheberin der Eucharistie…“

Die Eucharistie wiederum hat ihr erstes Vorausbild in der Frucht vom Baum des (ewigen) Lebens: „Wer (österlich) siegt, dem werde ich zu essen geben vom Baum des Lebens, der im Paradies Gottes steht“ (Offb 2,7). Der österliche Durchbruch geschieht am Kreuz: dem wahren Lebensbaum (geistiger Schriftsinn) im Gegenüber zum Erkenntnisbaum (wörtlicher Schriftsinn) „als Ur-„Zeichen“ (hebr. Taw) und „Ursakrament“ (Joseph Stierli SJ). Für Bonaventura ist der Lebensbaum „gewissermaßen das ‚Sakrament‘ des Paradieses“ (Hexaemeron, XIX,8). Für Papst Johannes Paul II. ist wiederum die (Paradieses-)Ehe „Ursakrament“ und „Prototyp“ aller Sakramente des Neuen Bundes, die ihrerseits den ewigen Liebesplan Gottes verwirklichen, der im hochzeitlichen Ein-Geist-und-ein-Fleisch-sein von Christus und der Kirche seine „zentrale Wirklichkeit“ und seinen „Höhepunkt“ hat.

Das ‚Kreuzen’ von (männlicher) Vertikaler und (weiblicher) Horizontaler in der Kreuzmitte macht aus dem Kreuz das Symbol der Hochzeit (vgl. Alfons Rosenberg, Wandlung des Kreuzes. Die Wiederentdeckung eines Ursymbols. Mit Bildern von Michael Eberle, München 1985). Nach Karl Josef Lesch will Michael Eberle die kosmische Dimension des Kreuzsymbols zum Sprechen bringen, „indem er die Gestalten von Mann (Vertikale) und Frau (Horizontale) sich kreuzen lässt“ (Das Kreuz – ein Symbol der Lebensfeindlichkeit?, in: Willigis Eckermann u.a. [Hg.], Das Kreuz – Stein des Anstoßes, Kevelaer 1996, 122-141, 133). Benedikt XVI. sagt im nachsynodalen Apostolischen Schreiben Sacramentum Caritatis (2007) zur Eucharistie: „Tatsächlich ist in der paulinischen Theologie die eheliche Liebe ein sakramentales Zeichen der Liebe Christi zu seiner Kirche – einer Liebe, die ihren Höhepunkt im Kreuz erreicht, das der Ausdruck seiner ‚Hochzeit‘ mit der Menschheit und zugleich der Ursprung und das Zentrum der Eucharistie ist“ (27). In der Feier der Eucharistie als „Sakrament des Bräutigams und der Braut“ (27) und „Lebensmitte“ der Kirche (12) wird „ein Vorgeschmack der eschatologischen Erfüllung gewährt …, zu der jeder Mensch und die ganze Schöpfung unterwegs ist“ (30; vgl. meine Diss. Die Hochzeit am Kreuz. Eine Hinführung zur Mitte, München 2007).

Das biblische Symbol der ‚eschatologischen Erfüllung’ der Schöpfung ist der ewige ‚achte Tag’ (der Auferstehung) jenseits der Sieben-Tage-Schöpfung. In dieser ist der achte Tag „der erste Tag der Woche“, „als eben die Sonne aufging“ (Mk 16,2), also der Sonn-tag. Die Kirchenväter nennen die Taufe in achteckigen Becken und Baptisterien von daher das „Mysterium der Achtzahl“. Der Mensch ist am ‚sechsten Tag’ (Freitag) das achte Schöpfungswerk (vormittags die Erd-Tiere, nachmittags der Mensch). In der Sintflut als Sinnbild der Taufe (1 Petr 3,20f; 2 Petr 2,4f) werden durch die Arche  als Sinnbild des ewigen Wortes, der Kirche und des „Holzes“ des Kreuzes (vgl. Weish 14,5-7) acht Menschen gerettet – mit dem ‚gerechten’ Noach als „dem achten“ (Noach: Nun-Cheth, 50-8; 50 = 7 x 7 + 1, also analog 8, vgl. Pentecoste: 50. Tag).

Der Weltkatechismus (Nr. 1166) zitiert die Liturgiekonstitution des Konzils (SC 106): „Aus apostolischer Überlieferung, die ihren Ursprung auf den Auferstehungstag Christi zurückführt, feiert die Kirche das Pascha-Mysterium jeweils am achten Tage, der deshalb mit Recht Tag des Herrn oder Herrentag genannt wird.“ Nr. 1167: „Der Tag der Auferstehung des Herrn ist zugleich der ‚erste Tag der Woche’, an dem Christus nach seiner ‚Ruhe’ des großen Sabbats den Tag anbrechen lässt, ‚den der Herr gemacht’, den ‚Tag, der keinen Abend kennt’ (Byzantinische Liturgie).“ „Der Sonntag ist der Tag schlechthin…“

Das wird eben nur verständlich auf dem Hintergrund der Sieben-Tage-Woche mit dem Sabbat als Zielpunkt. Gabriel Strenger verweist darauf, dass sich das Wort Schabbat zusammensetzt aus Schin-Beth-Taw: „Die ש [Schin] symbolisiert (auch graphisch) die männlichen Flammen der Geistigkeit, das Wort בת (Bat = Tochter) hingegen die Weiblichkeit der materiellen Wirklichkeit. Die [‚hochzeitliche’] Vereinigung dieser Welten und Ebenen am Scha-Bat (בת ש) bringt Segen für die ganze Woche (Sohar)“ (Die Kunst des Betens, Basel 2020, 306). „Der achte Tag des Kabbalat Schabbat [Empfang des Sabbats] verkündet den zukünftigen Tag der Erlösung, an dem die gesamte Menschheit an den göttlichen Werten der Gerechtigkeit und Liebe teilhaben wird. (…) Jeder Sonntag ist gegenüber der vorigen Woche eine Acht, die die vollendete Sieben aufhebt und erlöst. Doch im Verborgenen ist die Acht schon am siebten Tag gegenwärtig und erfahrbar, denn der Schabbat ist … ‚eine Kostprobe des Jenseits‘ (Talmud, Berachot)“ (314). „In der Beziehung mit dem Ewigen erlebe ich mich als Braut, in der weiblichen Rolle der Empfängerin des Schabbats/der Neschama“ (304).

Neschama ist die unsterbliche Geistseele im Unterschied zur sterbliche Blutseele Nephesch. Der Übergang vom Zeitlichen zum Ewigen, vom Sterblichen zum Unsterblichen wird durch das Feuer des Geistes ermöglicht. Friedrich Weinreb stellt heraus: „Hier, heißt es, gibt es nur die Verlobung, hebräisch ‚arissa‘, auch ‚Backtrog‘. Der Teig ist da, um das Brot zu backen; das Brot kommt erst bei der Hochzeit, es braucht das Feuer. Wasser, da ist Verlobung – Feuer: Ewigkeit, dann erst ist Ehe, das Brot ist da“ (Das Markus-Evangelium, 1999, Bd. 2, 755). „Der achte Tag ist die Hochzeit zwischen dem Männlichen und dem Weiblichen, eine in den sieben Tagen [der Schöpfung] vorbereitete Hochzeit“ (Schöpfung im Wort, 833).

Ähnlich erklärt der russisch-orthodoxe Universalgelehrte Pavel Florenskij: „In der Eucharistie und in den anderen Sakramenten wird der Mensch mit dem dreifaltigen Gott ‚verlobt‘, aber nicht ‚vermählt‘.“ Dasselbe sagen auch Mystiker wie Teresa von Avila und Johannes vom Kreuz, in gewisser Weise auch Martin Luther. Verlobung (Angeloben = Glaube) und Hochzeit (= Vollendung) sind mit den Zahlen Sieben (Mondzahl) und Acht (Sonnenzahl, vgl. die liegende Acht oder Lemiskate als Bild für den Jahreslauf der Sonne) gemeint. Ohne das Verständnis dieser Zahlen kann es auch kein wirkliches Verständnis der Bibel geben.

5. Symbolik des siebenarmigen Leuchters und des Opfers

In Jerusalemer Tempel stand auf der Südseite (Sonnenseite) der siebenarmige Leuchter (Lichtträger) aus Gold, eine Art Baum mit je drei Ästen nach jeder Seite (vgl. Ex 25,31-40). Die sieben Lichter brennen durch das Öl, das auch „zur Salbung des Gesalbten, des Messias, benutzt wird“ (Friedrich Weinreb, Der siebenarmige Leuchter, 1985, 11). Von dem Leuchter wird in der Tradition gesprochen „wie von etwas Lebendigem, wie von einem Baum“. Als Stamm mit den sechs Armen „aus Gold mit mandelförmigen oder blütenförmigen Früchten“ wird er im Judentum „als Baum des Lebens“ erlebt (44).

Der Leuchter war auch ein Abbild der sieben ‚Planeten’ einschließlich Sonne und Mond, die im Hintergrund der Sieben-Tage-Schöpfung stehen. Der „Tag eins“ (Gen 1,5) mit der Erschaffung des einen Lichts ist Tag der Sonne, der siebte Tag ist der Samstag, engl. saturday, also Tag des Saturn, des letzten damals sichtbaren Planeten. Nach dem jüdischen Exegeten und Philosophen Philo von Alexandrien galt der siebenarmige Leuchter als „Abbild des himmlischen Reigens der sieben Planeten“; denn „wie der Leuchter ist auch jeder der Planeten ein Lichtträger; da sie hellstrahlend sind, senden sie leuchtende Strahlen zur Erde nieder, besonders der mittlere von ihnen, die Sonne… Da nun der Meister [= Gott] wünschte, dass bei uns ein irdisches Abbild von dem Urbild der siebenflammigen himmlischen Sphäre vorhanden sei, so befahl er, ein sehr schönes Kunstwerk, den Leuchter anzufertigen“ („Über den Erben des Göttlichen“, 221.222.225).

Aufgrund der zentralen Bedeutung des Sabbats verkörpert allerdings nicht die Sonne den Mittelstamm, sondern Saturn, während Sonne und Mond, Mars und Venus sowie Jupiter und Merkur sich polar gegenüberstehen wie das ‚Männliche’ und das ‚Weibliche’, die in der Mitte (vorläufig) geeint sind. Der sechste Tag ist in diesem Wochen-Schema der Freitag (Freya-Tag), das heißt der Tag der Venus (franz. vendredi) oder Aphrodite, also der Göttin der irdischen Liebe und Fruchtbarkeit. Wie das Gold das Metall der Sonne ist, so hat die Venus als Metall das Kupfer, hebr. nachoscheth: „Im Hebräischen ist es vom gleichen Stamm wie das Wort ‚nachasch’, Schlange. Jetzt verstehen wir das Geschehen mit der Schlange am sechsten Tag im Paradies; aber auch den Verrat am Freitag, dem die Kreuzigung folgt. Und es fällt uns gleich die Schlange aus Kupfer ein, die, aufgerichtete, erhobene, die heilt (4. Mose 21,18 und 19)“ (Der siebenarmige Leuchter, 39).

In Joh 3,14 heißt es: „Und wie Mose die Schlange in der Wüste erhöht hat, so muss der Menschensohn [am Kreuz] erhöht werden, damit jeder, der an ihn glaubt, in ihm das ewige Leben hat.“ Die Kirchenväter verstanden die heilige Eucharistie auch als „Gegengift“ von der erhöhten Heilssschlange gegen das „Gift“ der Paradiesschlange. Ein Name der Venus war auch Lucifer: Lichtträger. Der Tag der Kreuzigung Jesu, der (Kar-)Freitag, ist als ‚sechster Tag’ oder Venustag auch der Tag der Erschaffung des männlich-weiblich Menschen. Die Zahl sechs (lat. sex) galt bei Philo als ‚Zahl der Ehe’, weil sie das Produkt von ‚weiblicher’ Zwei und ‚männlicher’ Drei ist. Irenäus von Lyon (2. Jh.) schreibt zum Karfreitag: Christus „kam zur Passion, einen Tag vor dem Sabbat, dem sechsten Schöpfungstag, an dem auch der Mensch gebildet wurde, indem er ihm die zweite Erschaffung, die ihn dem Tod entriss, durch seine Passion schenkte“ (Adv. haer. V,23,2).

Das alttestamentliche Vorausbild des Kreuzesopfers ist die Opferung/Bindung Isaaks (Gen 22). Der Alttestamentler Hermann Gunkel hat in seinem großen Genesis-Kommentar (1901) die Erzählung von der Opferung Isaaks (Gen 22) dadurch zu ‚retten‘ versucht, dass er ihren ‚ursprünglichen‘ Sinn als „Absage an das Kinderopfer“ interpretierte: „Es gibt wenige Resultate der kritischen Bibelexegese, die so erfolgreich rezipiert worden sind wie diese religionsgeschichtliche ‚Rettung‘ von Genesis 22“, so der Alttestamentler Konrad Schmid. Heute allerdings sei sich die Exegese sicher, dass diese Deutung „unhaltbar“ ist: 1. zeigt die Erzählung keinerlei Kritik am Kindesopfer, 2. werden Tieropfer als geläufig vorausgesetzt, 3. sind Kinderopfer in Israel nicht nachweisbar, 4. wird nicht die Frage beantwortet, warum in der Erzählung Gott als Versucher in Erscheinung tritt (Weshalb versuchte Gott Abraham?, Genesis 22 „von unten“ gelesen, in: IKaZ Communio 47 [2019], 5-15, 7).

Georg Steins (Bibel falsch verstanden, 72-81) verabschiedet ebenfalls die Deutung Gunkels und zeigt auf, wie „die so verstörende biblische Erzählung … eine tiefe Theologie des Opfers“ entwickelt, in der sich Israel in Gestalt des Tieropfers (Widder) im Tempel auf dem Tempelberg Morijah (vgl. 2 Chr 3,1) selbst symbolisch Gott darbringt, „indem es sich immer wieder … diesem Gott zurückgibt“ (77). „Darum geht es in jener ungeheuerlichen Aussage, dass nur die Liebe zu Gott um seiner selbst willen den Menschen retten kann, eine Basiseinsicht der Bibel, die in dieser harten Konsequenz aber selten bedacht wird“ (79). Versteht man Abraham als Repräsentanten der rechten Gnadenseite (Licht, Feuer) und Isaak der linken Gerichtsseite (Wasser), dann ist beider Aufstieg auf den Gipfel des Morijah (= „JHWH ist mein Lehrer“ der Weisheit der Thora) ein Aufstieg zur ‚Höhe’, ‚Mitte’ und ‚Einheit’ analog zum ‚dritten Tag’ (vgl. Gen 22,4) oder zum ‚siebten Tag’. Die Himmelsöffnung mit dem Erscheinen des Engels wäre dann der Ausblick auf den ‚achten Tag’ (Widder als Lamm Gottes).

Die Aufklärer, allen voran Kant, haben die Erzählung rein äußerlich als einen Auftrag zum Sohnesopfer gelesen und sie moralisch verworfen (so auch heute noch Navid Kermani). Im Neuen Testament hingegen nimmt das Abrahamopfer das Kreuzesopfer des ‚geliebten Sohnes’ vorweg, den Gott nicht (wie Isaak) „verschont, sondern ihn für uns alle hingegeben“ hat – „wie sollte er uns mit ihm nicht alles schenken“ (Röm 8,32). Nach Hebr 11,19 zeigt die Erzählung den Osterglauben Abrahams, „dass Gott sogar die Macht hat, Tote zum Leben zu erwecken; darum erhielt er Isaak auch zurück. Das ist ein Sinnbild.“ Von daher gehört Gen 22 ebenfalls zu den Lesungstexten der Osternacht.

Die Hermeneutik der Liturgie versteht so besser als die der kritischen Exegese den tieferen Sinn der Bibel. Der Exodus Israels durch das Wasser hindurch wird als Bild der Taufe gelesen, das Gelobte Land ist „ein Bild des ewigen Lebens“ (KKK 1222). „Das Mysterium, das in der Liturgie gefeiert wird, ist nur eines; nur die Formen der Feier sind unterschiedlich“ (KKK 1200). „Das ganze christliche Leben trägt die Handschrift der bräutlichen Liebe Christi und der Kirche. Schon die Taufe, der Eintritt in das Volk Gottes, ist ein bräutliches Mysterium; sie ist sozusagen das ‚Hochzeitsbad’, das dem Hochzeitsmahl, der Eucharistie, vorausgeht. Die christliche Ehe wird wirksames Zeichen, Sakrament des Bundes zwischen Christus und der Kirche“ (KKK 1617).

Insgesamt ist so die Liturgie der eigentliche Ort, um das sakramentale (geistig-sinnliche) Wort Gottes zu verstehen. Der Liturgiewissenschaftler Marco Benini (Eichstätt) sagt: „Die Liturgie gibt uns die Bibel gleichsam von innen, denn sie eröffnet einen Zugang aus der Feier des Glaubens. Die Liturgie versteht die Bibel nicht in erster Linie als ein Dokument der Vergangenheit, sondern als je neu, uns persönlich meinendes Wort Gottes. Es ist ein Medium der Gottesbegegnung. Wir nehmen in der Liturgie am Dialog Gottes mit seinem Volk teil: Er spricht zu uns durch sein Wort und wir antworten mit Gesang und Gebet (vgl. SC 33)“ (vgl. seine Habilitationsschrift Liturgische Bibelhermeneutik. Die Heilige Schrift im Horizont des Gottesdienstes, Münster 2020).

Nach Benedikt XVI. eröffnet die Auferstehung Jesu den Zugang zum inneren (himmlischen) Sinn: Sie „weckt die ‚Erinnerung’, das heißt, sie ermöglicht das Eintreten in die innere Seite  der Geschehnisse…“ „Dieses Erinnern ist ein vom Heiligen Geist geführtes Verstehen; erinnernd tritt der Glaubende in die Tiefendimension des Geschehenen ein und sieht, was zunächst und bloß äußerlich nicht zu sehen war.“ Er erkennt „so die Wahrheit, die sich im Faktum verbirgt“. „Es ist ein Geführtwerden durch den Heiligen Geist, der uns den Zusammenhang der Schrift, den Zusammenhang von Wort und Wirklichkeit zeigt und uns so ‚in die ganze Wahrheit’ führt. Im Grund ist hier auch Wesentliches über den Begriff der   Inspiration gesagt“ (Jesus von Nazareth I, 273; 275f).

Für die Bibelwissenschaftler Konrad Schmid/ Jens Schröter (Die Entstehung der Bibel, München 2019) ist die Bibel hingegen nicht mehr das unvergängliche, überzeitliche, inspirierte ‚Wort Gottes’, sondern nur noch eine zeitbedingte „Sammlung vielfältiger Texte“, in die hinein die Bibel „aufgelöst und historische Hypothesen und Wahrscheinlichkeiten an deren Stelle gesetzt“ wurden. Deshalb kann „die historische Kritik weder den jüdischen noch den christlichen Glauben begründen“ (398; 402; 412). Die Alternative zur historisch-kritischen Interpretation ist, wie beide Autoren im Hinblick auf die orthodoxe Theologie einräumen, „ihre geistliche Lektüre und ihre Bedeutung für die Kirche. Dabei wirken normativ die großen Entwürfe der Kirchenväter nach, die das Alte Testament konsequent von Christus her gelesen und die ganze Bibel als ein Buch betrachtet haben, das das Leben der Glaubenden in umfassender Weise prägen soll. Dem entspricht die Bedeutung biblischer Texte in der Liturgie. Nicht ihre Auslegung in der Predigt steht im Zentrum, sondern ihre Bedeutung für die Feier in Form der Anbetung, der Unterweisung und vor allem der Eucharistie.“ Dieser von der vor allem „protestantischen Sicht grundlegend verschiedenen Zugang zur Bibel“ basiert darauf, dass die orthodoxen Theologie „wesentlich eine ‚Theologie der Erfahrung’“ ist (400) und zur mystischen Erfahrung auch hinführen will (→ Mystagogie).

6. Kirchenkritik und Theologiekritik

Das Votum „Gemeinsam am Tisch des Herrn“ des Ökumenischen Arbeitskreises evangelischer und katholischer Theologen unter der wissenschaftlichen Leitung von Volker Leppin und Dorothea Sattler hat im September 2019 für Aufsehen gesorgt, als der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, der Limburger Bischof Georg Bätzing, bei der Vorstellung des Votums betonte, er trage es „als Frucht des ökumenischen Dialogs vieler Jahre mit“ und schließe sich ihm voll und ganz an. Er sehe darin „einen wichtigen und gangbaren Schritt auf dem Weg hin zu einer sichtbaren Einheit unserer beiden Kirchen“. Damit das Theologenvotum die Praxis verändere, brauche es die Rezeption durch die beteiligten Kirchen.

Die wechselseitige Teilnahme von Katholiken und Protestanten an Abendmahl/ Eucharistie wird damit begründet, dass Jesus allein der Einladende sei: Weil er sich eucharistisch seinen Jüngern schenkt, deshalb dürfe und könne „kein Tun und Lassen der Kirche, keine liturgischen Formen und institutionelle Regeln, keine Unterschiede in Herkommen und Tradition … diesem Geschenk im Wege stehen“. Das aber heißt: Eucharistiegemeinschaft und Kirchengemeinschaft, die für die katholische und orthodoxe Kirche untrennbar zusammengehören, werden hier getrennt nach dem Beispiel der lutherischen, der reformierten und den aus ihnen hervorgegangenen unierten Kirchen, die 1973 in der Leuenberger Konkordie ihre Abendmahlsgemeinschaft beschlossen haben – bei Fortdauer ihrer unterschiedlichen Glaubensverständnisse.

Weil der DBK-Vorsitzende Bätzing das Theologenvotum zur Grundlage für eine anvisierte wechselseitige Einladung zu Eucharistie/Abenmahl beim 3. Ökumenischen Kirchentag im Mai 2021 in Frankfurt/Main machen wollte, wurde die römische Glaubenskongregation auf den Plan gerufen. Der Präfekt der Kongregation, Kardinal Luis Ladaria, legte mit einem Schreiben vom 18. September 2020 an Bätzing gegen das Theologenvotum Einspruch ein. In den angefügten „Lehrmäßigen Anmerkungen“ wird die „vorherrschende Hypothese der Diversität der Ursprünge“ kritisiert, die „eigentlich eine konfessionelle, eher von der neueren evangelischen Exegese“ geprägte Hypothese sei. Unterbewertet erscheinen die Einheit der biblischen Überlieferung als „das Kriterium der Ursprünge“, „die Bedeutung des Tages der Herrn für die Eucharistie“ und „die Grundlage der Eucharistie im Ostergeheimnis“. „Diese Einheit gehört zur Substanz, die die Zeiten überdauert, und ist die Grundlage der sakramentalen Verfassung der Kirche.“ Das heutige Eucharistieverständnis der katholischen Kirche stehe in „Kontinuität“ zur ursprünglichen Einheit. Dem Zeugnis der patristischen Theologie werde „nicht die genügende Aufmerksamkeit geschenkt“.

Als „theologische Kernproblematik“ macht die oberste Glaubensbehörde die „Trennung zwischen Christus und der Kirche“ aus: Christus habe „die Kirche in besonderer Weise mit dem sakramentalen Mittlerdienst beauftragt“. Die Unterschiede im Kirchen- und Amtsverständnis würden „erheblich relativiert“. Zitiert wird der Jesuit (und nach dem Konzil zum Kardinal kreierte) Henri de Lubac, der „die Wechselbeziehung zwischen Kirche und Eucharistie als Band ‚gegenseitiger Kausalität und Garantie’ qualifiziert“. Keine Erwähnung finde in dem Dokument zudem „die Frage der vollen Initiatio christiana (Taufe-Firmung-Eucharistie)“. Die eucharistische Ekklesiologie des Zweiten Vatikanums sei nur einmal „in einer relativistischen Betrachtungsweise“ Gegenstand des Dokuments, „während gerade sie doch als das Herzstück der Lehraussagen dieses Konzils gelten darf“.

Darin, dass die Verfassung der Kirche „untrennbar“ mit der Eucharistie verbunden ist, liege „der Grund für die Notwendigkeit der Kirche im Erlösungswerk. Die Kirche ist Sakrament des Heiles ausgehend vom Leibe Christi; sie muss daher Eine sein. Substantiell hat daran Anteil die Einheit in der Apostolischen Lehre und in der Apostolischen Sukzession.“ Die „offene Pluralität der Ursprünge der Kirche“ führe dagegen zu einer „Individualisierung der Ortsgemeinden“; die Kirche scheint „kaum einen theologischen Rang zu genießen“. Das geweihte Dienstamt erscheint „als spätere Hinzufügung mit einem eher funktionalen, organisatorischen Inhalt“. Dem sakramentalen Amtspriestertum in der katholischen und orthodoxen Tradition werde nicht wirklich Rechung getragen. „Auch wird die Frage der Zulassung der Frauen zum geweihten Amt ausgeklammert, die für die katholische Kirche durchaus lehrmäßige Bedeutung hat.“

Nicht zuletzt „fehlt ein eindeutiges Bekenntnis zur Realpräsenz Christi in der Eucharistie“: vere, realiter et substantialiter in und unter den Zeichen von Brot und Wein. „Auch bezüglich des Opfergedankens der Eucharistie … besteht immer noch kein ökumenischer Konsens.“ Das Dokument schlage „als Lösung das Entfernen der Opferaussagen aus den liturgischen Texten vor“. Aber: „Liturgische Vielfalt sollte nicht in Kontrast zum theologischen Verständnis des Gefeierten gesetzt werden“. Die Taufe als einzige Vorbedingung für die wechselseitige Zulassung zum Tisch des Herrn „widerspricht eigentlich den Grundlagen des ökumenischen Dialogs“ (mit Verweise auf das Ökumenismus-Dekret Unitatis redintegratio 8): „Eine Vorwegnahme der Einheit in der eucharistischen Mahlgemeinschaft, ohne die Einheit im Glauben erreicht zu haben, steht in Gefahr, alles weitere Bemühen um die Lösung der noch ausstehenden Glaubensdifferenzen zu relativieren.“ In theologisch-sakramentaler Perspektive gehe das Votum „eher mit der Leuenberger Konkordie konform“, wonach die Gemeinschaft der Kirchen „im Sinne einer Einheit in konfessioneller Diversität“ auf dem Weg und „im Werden“ möglich sei (vgl. auch die Kritik von Kurt Koch, HerKorr 10/2020 sowie die Kontroverse zwischen Christoph Böttigheimer und Helmut Hoping, HerKorr 11/2020, 23-25).

Das ungelöste Grundproblem ist die Rolle der Heilsvermittlung der Kirche (und Marias) und das Verständnis der Sakramente (des Sakramentalen überhaupt). Die Eucharistie ist das Herzstück der katholischen (und orthodoxen) Kirche, „der Inbegriff und die Summe unseres Glaubens“ (KKK 1327). „Die Eucharistie baut die Kirche“ (KKK 1396). Für die Reformation stellt Volker Leppin lapidar fest: „Der Neubau [der Kirche] begann mit den Sakramenten“ (Die fremde Reformation. Luthers mystische Wurzeln, München 2016, 123). Die Überwindung der Trennung der Konfessionen geht nur über ein vertieftes, geistliches Verständnis der Schrift.

Dazu ist heute mehr denn je auch die jüdische Perspektive einzubeziehen. Im zweiten Band seiner Trilogie zu Jesus von Nazareth schrieb Joseph Ratzinger: „Wir erkennen es nach Jahrhunderten des Gegeneinanders als unsere Aufgabe, dass diese beiden Weisen der neuen Lektüre der biblischen Schriften – die christliche und die jüdische – miteinander in Dialog treten müssen, um Gottes Willen und Wort recht zu verstehen“ (49). Friedrich Schleiermacher hatte hingegen ganz in der Spur Luthers noch die These vertreten: „Das Christentum ist umso reiner, je mehr es vom Jüdischen gereinigt ist.“ Davon war ja auch noch Adolf von Harnack überzeugt (der entsprechend Marcion als ‚Vorläufer’ des Protestantismus feierte). Wird die Trennung der Konfessionen von der protestantischen (und katholischen) Theologie gar nicht mehr als schmerzlich empfunden, sondern positiv als bereichernder Pluralismus verstanden, dann erübrigt sich die Ökumene.

7. Die Sprache der Zahlen und der Schöpfung

Für die jüdische Mystik ist die Entsprechung von Zahlen und Buchstaben (Gematrie) von großer Bedeutung; hat doch Gott in der Schöpfung (und Bibel) „alles nach Maß, Zahl und Gewicht geordnet“ (Weish 11,20). Auch Bonaventura unterstreicht in seinem Pilgerbuch der Seele zu Gott die grundlegende Bedeutung der Zahlen: „Da alles Seiende schön ist und auf gewisse Weise Gefallen erregt, Schönheit und Gefallen aber nicht ohne ein Verhältnis bestehen können und ein Verhältnis zuerst von Zahlen bestimmt ist, deshalb ist notwendig alles Sein zahlhaft. Boethius sagt, dass ‚die Zahl das wichtigste Urbild im Geist des Schöpfers ist‘, deshalb ist sie die wichtigste Spur, die zur Weisheit führt.“

Ähnlich sagt Kardinal Nikolaus von Kues: „Die Wesenheit der Zahl ist das erste Urbild des Geistes. (…) Indem wir in symbolischer Weise von den verstandesmäßigen Zahlen unseres Geistes im Hinblick auf die wirklichen, unsagbaren Zahlen des göttlichen Geistes Mut-Maßungen anstellen, sagen wir, dass im Geist des Schöpfers das erste Urbild der Dinge die Zahl sei, so wie die aus unserem Verstand entspringende Zahl das Urbild der abbildhaften Welt ist.“ Cusanus „arbeitete die christliche Theorie der Tetrakyts in De coniecturis aus“ (Wilhelm  Schmidt-Biggemann).

Die Tetraktys der Pythagoreer ist die Einheit der ersten vier ganzen Zahlen in der Zehn-Zahl: 1 + 2 + 3 + 4 = 10. Im Hebräischen hat der 10. Buchstabe Jod den Zahlenwert 10, mit ihm beginnen wichtige Namen wie Jizchak (Isaak), Jakob, Jisrael, Jerusalem und Jehoschua (Jesus), vor allem natürlich das Tetragramm JHWH. In der ersten Schöpfungserzählung spricht Gott zehnmal: „So weist die Schöpfungsgeschichte schon voraus auf das Zehnerwort, die zehn Gebote. Sie lässt uns erkennen, dass diese zehn Gebote gleichsam der Widerhall der Schöpfung sind; nicht willkürliche Erfindungen, durch die dem Menschen Zäune gebaut werden gegen seine Freiheit, sondern Einweisung in den Geist, in die Sprache und in den Sinn der Schöpfung, übersetzte Sprache der Welt, übersetzte Logik Gottes, die die Welt erbaute“ (Joseph Ratzinger, Im Anfang schuf Gott, 1986, 27).

Die zehn Gebote sind im Judentum unterteilt auf die zwei Tafeln als 5 + 5. Das entspricht auch dem Gottesnamen JHWH = 10-5-6-5 im Sinn von 10 = 5 + 5: die ‚hochzeitliche’
Vereinigung von himmlischer (‚männlicher’) und irdischer (‚weiblicher’) Welt (das Waw = 6 hat als Haken ו die Bedeutung, Oben und Unten zu verbinden). Abram und Sarai werden durch Einfügung des He (5) in ihre Namen beim Beschneidungsbund zu Abraham und Sarah (Gen 17,5.15), die gemeinsam im hohen Alter Jizchak zeugen.

Die Formel 10 = 5 + 5 findet sich auch in der Zahlensymbolik im alten China im ersten ‚magischen Weltquadrat’ mit den ersten neun Zahlen und der 5 in der Mitte: Die fünf ungeraden (‚männlichen’) Zahlen (1,3,5,7,9) bilden das Koordinatenkreuz, die vier geraden (‚weiblichen’) Zahlen (2,4,6,8) bilden die vier Ecken, so dass in der Quersumme diagonal, horizontal und vertikal immer 15 herauskommt (15 ist die Zahl der Kurzform des Gottesnamen Jah = 10-5; vgl. die 150 Psalmen). Die vier ungeraden Zahlen werden um 1, 2, 3, und 4 ergänzt, die Mitte um 5: „Die Erde [= Mittelpunkt, = 5 (was der 10 = 5 + 5 entspricht)] nimmt den Mittelpunkt ein, zu dessen Anzeige das Balkenkreuz dient, und mit dem der Platz des Fürsten angegeben ist“ (Marcel Granet, Das chinesische Denken. Inhalt – Form – Charakter, Frankfurt 1985, 126 – eckige und runde Klammern im Original).

Die Zahl fünf im Zentrum wird auch mit fünf Punkten oder Kugeln in Kreuzform dargestellt, wie es sich auch in der christlichen Ikonographie findet (vgl. die fünf roten Wachsstifte auf der Osterkerze und die orthodoxen Kreuzkuppelkirchen). Die Symbolik 1 (Mitte) zu 4 (Kreuzenden) ist die Symbolik des Bundes und der spirituellen Hochzeit: Die Fünf „weist auf den Menschen, aber nicht allein auf den von der Vier – von den vier Elementen – bestimmten Menschen, sondern auf den von Christus erfüllten Menschen, der von einem ‚fünften Punkt‘, vom Mittelpunkt her geprägt ist.“ „Keine Bildgestalt könnte deutlicher auf das Wunder der Einwohnung Christi im Menschen weisen als die Vierzahl mit dem fünften Punkt im Zentrum. Dieser fünfte Punkt ist die Christusmitte des Weltalls, was die Maiestas-Domini-Darstellungen zum Ausdruck bringen. Er ist aber auch die Christus-Mitte der menschlichen Seele“ (Mechthild Clauss, Die Engel von Marienberg im Licht spiritueller Deutung, St. Ottilien 2005, 41f und 45).

Dass die zwei Gesetzestafeln mit den zwei Hauptgeboten die Zehn ergeben, lässt sich auch lesen als zweimal 13 = 26 (was die Summe der vier Buchstaben des Tetragramms ist). Denn der Zahlenwert 13 steht für Liebe, hebr. Ahawah, 1-5-2-5, und für eins/einer, hebr. echad, 1-8-4 (vgl. 13 Uhr = 1 Uhr). „JHWH enthält also zwei Mal Ahawa, zwei Mal Liebe – die Liebe zu Gott und zum Menschen. Der Name Gottes wird sozusagen in die Welt gebracht [und geheiligt], wenn wir Menschen die zweifache Liebe verwirklichen. So formuliert dies das bedeutende mystische Werk Schne Luchot ha-Brit: ‚Es steht >Liebe den Ewigen, deinen Gott<, und es steht >Liebe deinen Nächsten wie dich selbst<. Siehe, diese zwei Lieben verbinden und vereinigen sich durch die Einheit Gottes!‘“ (Strenger, Die Kunst des Betens, 22).

Die Zahlensprache ist die einzige Universalsprache, die immer gleich bleibt und daher alle Kulturen und Religionen, aber auch Schöpfung und Bibel aufs engste verbindet und ihre innere Struktur aufweist. Man kann sie auch in ihrer Bedeutung für die Musik (z. B. Oktav = 2:1) kaum überschätzen. Aleph als Symbol Gottes und der Einheit ist ausgeschrieben 1-30-80 = 111, was sich auch trinitarisch lesen lässt: 1 = Vater, 10 = Sohn, 100 = Geist. Die 111 ist auch 3 x 37, das Alter Isaaks bei seiner Opferung – die Differenz von den 90 Jahren Sarahs bei Isaaks Geburt und den 127 Jahren bei ihrem Tod ist 37 (vgl. Gen 23,1). Die Summe der ersten 36 Zahlen ergibt 666, den Zahlenwert der reinen Diesseitigkeit (6. Tag); die 37 ‚übersteigt’ diesen Wert um 1 wie die 8 die 7. (Das magische Weltquadrat mit den ersten neun Primzahlen einschließlich der 1 und der Quersumme 111 hat die 37 als Mitte.)

Friedrich Weinreb schreibt zur Analogie zwischen Schlangen-Biss und Judas-Kuss: „Im Hebräischen hat Küssen, wenn es nur Diesseitiges erstrebt und damit eigentlich vom Jenseitigen sich lösen möchte, der Etymologie nach die Bedeutung des Beißens (‚naschak‘ und ‚naschach‘)“ (Das Opfer in der Bibel, Zürich 2010, 382). Judas Iskariot, hebr. Jehudah Isch Kariot, bedeutet: „Mensch der (Ehe-)Trennung“ (hebr. Kritut). Jehudah Kariot, 10-5-6-4-5 20-200-10-6-400, hat den Wert 666 (vgl. Uwe Markstahler, Das Neue Testament im Licht der jüdischen Tradition, Berlin 2019, 177-179).

8. Die obersten Prinzipien Einheit und Zweiheit

‚Aufgeklärte’ Theologie hat die am Himmel verankerte Bild- und Symbolsprache des Mythos, aber auch die Sprache der Zahlensymbole und Buchstaben-Zeichen sowie die ‚Körpersprache’ verlernt. Ohne diese „umfassende Sprache der Menschheitsreligionen … als Grundlage für eine natürliche Offenbarung“ (Herbert Schade) lässt sich aber die übernatürliche Offenbarung der Bibel nicht verstehen. Im (kabbalistischen) Judentum ist dieses Wissen noch lebendig, auch in den Ostkirchen. Diese sind sich zusammen mit den orientalischen Kirchen auch noch stark des Erleuchtungscharakters des biblischen Glaubens bewusst (vgl. Joh 1,9; 2 Kor 4,6): „Es ist – wie uns auch die syrischen Christen sagen (…) – ein Hochzeitsmysterium zwischen Himmel und Erde, Feuer und Wasser, Gott und Mensch, oben und unten, das zur Geburt des Neuen Menschen, zur Erleuchtung (Photismos) führt“ (Detlef Witt, Die Evolution der menschlichen Gottesbeziehung, Eintürnen 1999, 304).

Im Chinesischen ist das Zeichen für Erleuchtung ‚Ming’: eine Verbindung der Bilder von (männlicher) Sonne und (weiblichem) Mond, von Yang und Yin. Der Sinologe Frank Fiedeler schreibt: „Yin und Yang repräsentieren Zweiheit und Einheit – und damit zugleich die geraden und ungeraden Zahlen –, wie sie sich auch in den Formen der gebrochenen und der ungebrochenen Linie des Yijing (– – und –) [= 2 und 1] darstellen. Auf der anthropologischen Bedeutungsebene steht das Begriffspaar Yin-Yang … vor allem anderen für Weiblichkeit (Yin) und Männlichkeit (Yang). (…) Die Zweiheit konstituiert die Sexualität, die Einheit die Individualität“ (Yin und Yang oder: Die Absolute Polarität (Taiji), in: Peter C. Mayer-Tasch [Hg.], Die Zeichen der Natur. Natursymbolik und Ganzheitserfahrung, Frankfurt u. a. 1998, 218f).

Auch Platon nennt als oberste Prinzipien Einheit und Zweiheit: „Während die ‚Einheit‘ für das Unbegrenzte und das Unteilbare steht, verkörpert das Prinzip der unbestimmten Zweiheit das Teilbare, das Große und Kleine, das Vielfältige. Das erste Prinzip ist das Absolute, das zweite das Relative. Alle Dinge dieser Welt sind in unterschiedlicher Mischung aus beiden Urprinzipien zusammengesetzt. Je mehr Einheit etwas hat, umso höher steht es in der Weltordnung…“ (Richard David Precht, Erkenne die Welt. Eine Geschichte der Philosophie, Bd. 1: Antike und Mittelalter, München 2015, 175). Nach Weinreb steht die ‚Eins‘ für das Paradies, die ‚Zwei‘ für die Welt (Schöpfung im Wort, 814). Dasselbe gilt für den Baum des Lebens und den Baum der Erkenntnis in der Bundessymbolik 1–4 (ebd. 331–401).

Nach dem Sündenfall verliert die Schlange ihre ursprünglich vier Füße und muss horizontal auf dem „Bauch“ kriechen, hebr. gachon, 3-8-50, analog zu ‚Schlange’, nachasch, 50-8-300 (Gen 3,14). ‚Fuß’ ist hebr. regel, 200-3-30 = 233. Dieser Zahlenwert ist auch der von ‚Baum des Lebens’ (hebr. Ez HaChajim, 70-90 5-8-10-10-40 = 233) und viermal der von ‚Baum der Erkenntnis von Gut und Böse’ (Ez HaDaäth tob wara, 70 + 90 + 5 + 4 + 70 + 400 + 9 + 6 + 2 + 6 + 200 + 70 = 932). Weinreb schreibt: „Beim Baum des Lebens steht man auf der ‚Eins’, so wie die Überlieferung erzählt, dass die Engel auf ‚Einem’ stehen, die beiden Füße zusammengestellt, und wie dann auch der Mensch Gott gegenüberstehen muss. Die Geschichte der Überlieferung merkt dazu subtil an: ‚Denn sobald der Mensch die Füße, wenn auch nur für einen Moment, auseinander stellt, schiebt sich die Schlange dazwischen und beißt ihn in die Ferse.’ Die Füße zusammenzustellen bedeutet: den Körper in Übereinstimmung zu bringen mit dem Wesentlichen, wo man auch die zwei Pfeiler, auf denen alles zu ruhen scheint, zusammenbringt und zur Einheit fügt“ (351).

In der Ikonographie steht Maria als neue Eva auf der Mondsichel (Offb 12,1) und zertritt der Schlange, der „Zwei-Kraft der Schöpfung“ (351), den Kopf. Ihr übernatürlich-jungfräuliches Gebären übersteigt das natürliche Geburts- und Todesprinzip wie die 8 die 7, die als „Zahl einer Mondphase“ gilt (Im Anfang schuf Gott, 27). Eva, hebr. chavah, 8-6-5, hat den Zahlenwert 19, ebenso Rippe, hebr. zela, 90-30-70 = 190. 19 Jahre braucht der Metonische Zyklus, der Sonnen- und Mondjahr wieder zusammenführt, indem sieben Jahre einen 13. Mondmonat erhalten, 12 Jahre nicht. Ostern am ersten Sonn-tag nach dem Frühlingsvollmond kann an 19 verschiedenen Terminen stattfinden.

Die Taufe bedeutet auch, dem Satan zu widersagen, „dem Urheber des Bösen“ (Gotteslob 573,8). Das Wort ‚Zweifel’ (niederl. twijfel) hat es mit ‚Teufel’ zu tun, griech. diabolos, ahd. tiufal, dem Entzweier, der Zweifel sät: „Hat Gott wirklich gesagt, ihr dürfte von keinem Baum des Gartens essen?“ (Gen 3,1). Das Konzil sagt, dass Maria „als neue Eva nicht der alten Schlange, sondern dem Boten Gottes einen von keinem Zweifel verfälschten Glauben schenkte“ (LG 63). Der wahre Glaube ist wesentlich einer in der Einheit der Kirche (Eph 4,3-6). Eine nicht-sakramentale Welt setzt sich in ihrer Endlichkeit (Zweiheit, Vielheit) notwenig absolut und wird so zum „Gott dieser Weltzeit“ (2 Kor 4,4). Erst eine sakramental (eucharistische) Welt ist diaphan auf ihren Schöpfer hin, was in der ‚Heiligung’ des Sonntags als ‚achtem Tag’ antizipiert wird. Denn dieser ist nach dem russisch-orthodoxen Theologe Paul Evdokimov „auch Vorausnahme und Verkündigung der Wiederkunft, wenn das ganze All im Feuer der endlichen Verklärung ewige Eucharistie wird“ (Das Gebet der Ostkirche, 1986, 33).